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2015

Die Einen singen Bass, die Anderen singen besser

„Die Einen singen Bass, die Anderen singen besser“ tönt Jörg Daembergs kräftige Stimme lachend beim allgemeinen Kennenlernen („Singst du oder spielst du ein Instrument?“ In welcher Tonart singst du?“) durch die zum Probenraum  umfunktionierte „Martinsklause“ im Rendsburger Martinshaus. Hier fand an drei Tagen Anfang April der diesjährige Workshop zu „musik in uns“ statt. Und Jörg ist einer der dreizehn Teilnehmenden. Dass er hier singen will, merkt man schnell. Und dass Erfahrung darin hat, auch. Er singt in der Band der Husumer Werkstätten. „Gegenwind“ heißt die Gruppe, die sich dort letztes Jahr gegründet hat. Sängerin Candy Zscherper und Keyboarderin Andrea Rief haben sich auch für den Workshop beworben – und sind wie Jörg angenommen worden. Die Auswahl hat das Organisationsteam, sprich Birgit Schatz, Kerrin Schöne und Hans-Peter Locht, getroffen. Und in diesem Jahr dabei ein ganz besonderes Händchen bewiesen, wie sich im Laufe dieser drei intensiven Tage herausstellen wird.

Gegenwind und Godewind

Doch zurück zum Anfang: Nicht nur drei Mitglieder der Band „Gegenwind“ sind da, sondern natürlich auch die komplette Belegschaft der Band Godewind. Zum neunten Mal unterstützen und coachen die Profis die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen in ganz Schleswig-Holstein arbeiten. Und das ist auch das Besondere: Alle, die hier mitmachen, kennen sich größtenteils nicht, geschweige denn haben sie je gemeinsam Musik gemacht.  Außer den Dreien aus Husum sind Nina Maskell aus der Fockbeker Werkstatt, Philipp Stotz aus den Werkstätten Materialhof, Wilcke Wilts vom Kompass `98, Malte Grunwald und Anne-Lena Otte aus der Eckernförder Werkstatt, Thomas Schieszl von Boje und Oliver Backhaus, Sarah Rybicka und Bettina Brede aus den Schleswiger Werkstätten mit an Bord. Außerdem aus den Schleswiger Werkstätten dabei ist Britta Schwensen, die dort den Chor „Die Werkstattspatzen“ leitet. 

Nach der Vorstellungsgruppe zeigt sich schnell, welche Gruppierungen es hier gibt: Die, die singen können, die, die Instrumente spielen können. Und die, die nix von beidem können. Und das sind zum Glück nur Birgit Schatz und Kerrin Schöne aus dem Orga-Team.

Überraschende Entdeckungen und Gänsehaut-Atmosphäre

Bevor es richtig losgeht, müssen natürlich Lied-Vorschläge her. Hier gibt es so manche Überraschung: Anne-Lena mag gern spanische Musik, Sarah dagegen hört nur japanische Pop-Songs. Und Oliver, der mag David Hasselhoff. Das klingt nach einer Herausforderung! Und: Fast alle haben Band- oder Chorerfahrung. Während Godewind-Sängerin Anja Bublitz und die Gesangsgruppe nach nebenan gehen und zum Warmwerden erstmal „Mendocino“ einüben, hilft der männliche Godewind-Teil – Schlagzeuger Heiko Reese, Keyboarder Shanger Ohl und Bassist Sven Zimmermann – bei den Instrumenten. Alle sind mit viel Begeisterung dabei, selbst in den Pausen werden leise Lieder gespielt – und vor allem Talente entdeckt: An Bettina Brede und Thomas Schieszl sind Singer-/Songwriter verloren gegangen, sie singen eigene Lieder und begleiten sich selbst auf der Gitarre dazu. Und Philipp Stotz, der zur Überraschung aller Teil des Gitarren-Ensembles der Rendsburger Musikschule ist, spielt ein klassisches Gitarren-Stück. Große Augen und Gänsehaut bei allen, die Zuhören. Klar, dass diese Stücke ins Programm mit aufgenommen werden. 

Abschluss-Konzert und aufrichtiges Lob

Nach drei Tagen Üben sitzen zwölf Songs und ein Band-Name ist gefunden: „Die Tonträger“. Ihren allerersten Auftritt hat die frisch zusammengefundene Band beim Abschlusskonzert, zu dem sich Verwandte und Kollegen angekündigt haben. Ein paar der Songs – wie etwa Bob Dylons „Blowin‘ in the Wind“ oder „Tage wie dieser“ von den Toten Hosen – sind ganz anders arrangiert, als man es gewohnt ist. Es fängt anders an, als man gedacht hat. Und dann hört man zu, ist überrascht und findet es richtig gut. Und das gilt für die Lieder genauso wie für den ganzen Workshop.

Das Publikum ist von Anfang an begeistert: Das Abba-Medley op platt, mit dem Godewind den „Tonträgern“ die Aufgabe abnimmt, als erste die Bühne betreten zu müssen, die Lieder und kleinen Zwischenmoderationen, die Solo-Stücke. Und alle sind erstaunt, wie in nur drei Tagen aus 13 ganz verschiedenen Menschen eine Band werden kann. Besonders schön ist das Lob von zwei Frauen aus den Zuschauerreihen, die im Tagungshaus Martinshaus zeitgleich ein Seminar besucht haben und der Einladung zum Abschlusskonzert gefolgt sind: „Wir haben am ersten Tag nur das laute Schlagzeug gehört – wir hätten nie gedacht, dass in so kurzer Zeit etwa so Tolles dabei rauskommen kann!“

„Die Tonträger“:

Oliver Backhaus, Jörg Daemberg, Nina Maskell, Anne-Lena Otte, Sarah Rybicka, Britta Schwensen, Philipp Stotz, Candy Zscherper (Gesang) sowie Malte Grundwald und Wilcke Wilts (Schlagzeug/Percussion), Bettina Brede und Philipp Stotz (Gitarre), Thomas Schieszl (Bass) und Andrea Rief (Keyboard), Hans-Peter Locht (Gitarre).